Zu Beginn des neuen Jahres werden SocialMediaTrends hoch- oder runtergeschrieben, die ewige Debatte über die Frage wie relevant Facebook ist geht in die 82399764. Runde und es verabschieden sich wieder ein paar mehr oder weniger prominente Menschen von sozialen Plattformen.
Zuletzt hat dann selbst die Tagesschau im Rahmen einer Sendung auf eine Anleitung zum Ausstieg aus Facebook und twitter hingewiesen, die sie auf ihrer homepage zur Verfügung steht. Wenn es sie glücklich macht - je nun.
Begründung für einen Ausstieg ist in der Regel die "Verrohung im Netz", die mangelnde Konstruktivität und die Zunahme von menschlichen sowie künstlichen Trollen.
Wenn wir der lauten Debatte glauben wollen ist das alles eine Neuerfindung der sozialen Medien. Nochmal je nun.
Gehen oder bleiben?
Da gibt es für mich nur eine Antwort: bleiben!
Und: professionalisieren.
Damit meine ich definitiv nicht die Vergabe der SocialMedia Aktivität an Externe, das halte ich generell für die schlechteste Idee.
Nie gab es bessere Möglichkeiten der politischen Kommunikation für Abgeordnete, Behörden, Verbände und andere im politischen Raum befindliche Akteure. Das nicht zu nutzen oder den destruktiven Kräften zu überlassen ist eine letztendlich demokratieschädliche Idee.
Stattdessen gilt:
Einmal gründlich durchwischen, bitte
- Gebt euch endlich eine Netiquette, eine Hausordnung für eure Arbeit in sozialen Medien. Macht auf euren accounts klar wie dort das Zusammenleben funktioniert. Und geht einfach genauso vor wie im analogen Leben.
Ein post auf zB Facebook ist eine Information, eine Einladung zur Debatte. Genau dieselbe Einladung wie an einem Infostand oder in einer Veranstaltung. Dass sich dabei alle ans Thema und an einen sozial akzeptierten Umgang halten sollten sollte klar sein. Warum also sollt ihr im digitalen Raum Pöbler ertragen, die aus jeder Veranstaltung rausfliegen würden?
Eben - müsst ihr nicht. Und dürft ihr auch nicht, weil ihr sonst alle anderen vergrault, die an konstruktivem Austausch interessiert sind. Das passiert auf analogen Veranstaltungen genauso wie in sozialen Medien.
Warum in sozialen Medien andere Regeln gelten sollen als im analogen Raum erschließt sich mir nicht. Also klärt eure digitale Hausordnung. Es ist euer Raum, ihr bestimmt die Regeln. So simpel.
- Moderiert konsequent
Das ist die wesentliche Aufgabe, die übrigens auch gut vom Team übernommen werden kann. Fragt bei unklaren Beitragen einmal nach, wenn dann immer noch kein Bezug zum Thema gegeben ist wird der Beitrag gelöscht.
Wenn in der Netiquette klar geschrieben ist, dass Beleidigungen, Sexismus, Rassismus etc nicht geduldet und sofort gelöscht werden muss das dann auch nicht mehr diskutiert werden.
Wenn Kommentare keinen Bezug zum Thema haben werden sie gelöscht.
Wenn nur Verallgemeinerungen á la "sind doch eh alle korrupt" abgesondert werden wird gelöscht.
Und so weiter.
Ja, es wird die eine oder andere Debatte dazu geben und es wird Menschen geben, die "Zensur" schrei(b)en werden. Aber letztendlich werdet ihr Zuspruch bekommen. Und mit Zensur hat das erst mal nichts zu tun, niemand hält diese Menschen davon ab, auf ihrem eigenen Profil denselben Inhalt, aka Unsinn, zu posten. Das macht ihnen natürlich keinen Spaß, weil sie auf eure Reichweite angewiesen sind. Die nehmt ihr ihnen einfach weg. Das tut weh, und das soll es auch. Es geht ihnen ja nicht um Kommunikation, sondern um Reichweite für "ihre" Themen. Da ist euer account lediglich Mittel zum Zweck.
Es gibt allerdings auch einige wenige accounts, die das noch nie gemacht haben, viele Fans haben und kritische Themen diskutieren. Die sind schlicht nicht mehr in den Griff zu bekommen. Da würde nur ein kompletter Neustart helfen.
Das ist übrigens kein Plädoyer, abweichende Meinungen (die sich auf das Thema beziehen) zu löschen. Was eine Meinung ist legt ihr in eurer Netiquette fest. Eine Aussage zu irgendeinem Thema ohne Bezug zum Ursprungspost, ist jedenfalls keine, die stehen bleiben muss.
- Löscht und blockiert destruktive accounts
Manchmal hilft Moderation nicht weiter, weil von denselben accounts immer wieder destruktive Beiträge kommen. In dem Fall hilft nur Blockieren des accounts. Geht davon aus, dass die Person sich in ihrem Umfeld laut darüber echauffieren wird. Und seid ganz entspannt dabei.
Die einzigen, die diesen Personen zuhören, sind nämlich diejenigen, die ähnlich agieren. Und die Aufregung hat allein damit zu tun, dass sie dies nun bei euch nicht mehr können. Tja. Genau so ist das gedacht.
Manche kommen dann über einen Zweitaccount zurück. Dann geht das Spiel von vorne los. Letztendlich werden sie aber schnell verschwinden, weil es einfach zu viel Arbeit ist und bei euch schlicht keinen Spaß macht. Sie werden sich andere "Opfer" suchen.
An dieser Stelle möchte ich nur der Vollständigkeit darauf hinweisen, dass es eine Debatte gibt, ob zB städtische accounts oder offizielle Stellen einfach so blockieren dürfen. Oder ob sie dadurch das Grundrecht auf Information verletzen. Da es bisher keine Behörde / Kommune oder andere offizielle Stelle gibt, die ausschließlich über SocialMedia informiert würde ich hier entspannt einer Auseinandersetzung entgegensehen. Wer sich im Rathausflur grob daneben benimmt wird auch des Hauses verwiesen, das würde auch niemand infrage stellen.
- Stärkt die Debatte
Wenn destruktive Beiträge dominieren ziehen sich die Menschen zurück, mit denen ihr eigentlich kommunizieren wollt. Eine Professionalisierung des eigenen accounts ist die Basis für politische Kommunikation im digitalen Raum.
Das bedeutet auch, dass die Ressourcen für die Moderation zur Verfügung stehen müssen. Aber ich gehe davon aus, dass mittlerweile alle begriffen haben, dass SocialMedia eine großartige Möglichkeit zur Kommunikation ist. Die aber, wie jede andere auch, Ressourcen benötigt.
Wird dann alles gut?
Wir kennen das alle - gestern erst durchgewischt und heute ist schon wieder irgendwas dreckig. Wer einmal gründlich durchgewischt hat und den kleinen Dreck täglich schnell weg macht (siehe oben) hat mit Sicherheit bald einen account, auf dem Trolle sich nicht mehr wohlfühlen.
Und hat vermutlich weniger traffic. Dafür aber die konstruktiven Debatten und einen account, der auch aktiv von Menschen genutzt wird.
Qualität ist wichtiger als Quantität.
Es wird also nicht alles für immer gut, aber die digitale Welt wird besser.
Und das ist doch schon mal was.
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